Aus der Hoehlenwelt des Niah National Parks ging es zurueck ans Tageslicht und in den Bus nach Miri. Aus dem Busfenster liessen sich gut die Zeichen von wirtschaftlichem Erfolg und persoenlichem Fortschritt auf Borneo beobachten. Ersteres erkennbar an unendlichen abgeholzten Waldflaechen. Letzteres durch die ueberall wie Pilze aus dem Boden schiessenden Neubaugebieten, die Stueck fuer Stueck die traditionellen malayischen Holzhaeuser ersetzen. Mitten im Nichts entstehen Reissbrettstaedte, oftmals aus ausschliesslich ein oder zwei Haeusertypen bestehend, die durch ihre leuchtend orangenen Plastikziegel und ihre massenhaftes Auftreten irgendwie seltsam an Playmobil-Staedte erinnern. Wer hier wohnt, hat es (einigermassen) geschafft, faehrt ein Auto und hat dicke Kinder. Die sind im Strassenbild Borneos kaum zu uebersehen und scheinen der Stolz und das Statussymbol ihrer Eltern zu sein.

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Auch Miri war fuer uns nur Durchreisestation. Von dort fuhren wir mit dem „Expressboot“ nach Marudi. Nicht dass, dieses abgelegene Staedtchen an sich besonders reizvoll gewesen waere. Fuer uns war es aber die einzige Moeglichkeit die abgelegenen Kelabit Highlands zu erreichen. Eine kleine Propellermaschine brachte uns nach Bario, wahrscheinlich einer der abgelegensten Ort im malaysischen Teil Borneos.

In Bario angekommen mussten wir uns als erstes in das Flughafenbuch mit unserem geplanten Abreisedatum eintragen. Da Bario ueber keinen Telefon- und nur einen unzuverlaessigenen Internetanschluss verfuegt, fuer die Flughafenbetreiber die einzige Moeglichkeit, ihre Fluege zu organisieren.

Wir hatten Glueck und im Flugzeug Tine und Stephen kennengelernt. Sie immigrierte Daenin und er gebuertiger Barionaner und Kuenstler, die gemeinsam eine Kunstgalerie und einen Homestay betreiben. Obwohl die beiden im Vorbereitungsstress fuer ihre Hochzeit am 26. Dezember mit geplanten 800 Gaesten waren, durften wir trotzdem fuer ein paar Tage bei Ihnen einziehen. Und so hatten wir am abgelegensten Fleck unserer Borneoreise, die beste und netteste Unterkunft und wie sich herausstellen sollte phantastisches Essen.

Insofern haetten wir unsere vier Tage in den Kelabit Highlands ganz ohne Probleme einfach in unserer Unterkunft verbringen koennen und haetten eine tolle Zeit gehabt. Das haette unserer Umgebung aber sehr unrecht getan. Reisfelder und weite Ebenen umgeben von gruen ueberwucherten Bergen in deren Spitzen die Wolken haengen bleiben, Longhouses und die wohl freundlichsten Menschen, denen wir bislang begegnet sind. Ein tropisches Bullerbue, schwer mit Worten zu beschreiben.

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Zwei Tage unseres Aufenthalts in Bario verbrachten wir mit einer Wandertour, durch den noch (!) weitestgehend unberuerhten Urwald. Unser Guide Lian fuehrte uns entlang eines schlammigen Wasserbueffelpfads in den kleinen Ort Pa Lungan. Streckenweise kamen wir nur langsam voran, da wir bis zu den Knoecheln im Schlamm versanken oder auf glitschigen Baumstaemmen ueber Wasserstellen balancieren mussten. Wenn wir in Bario schon das Gefuehl habt hatten am Ende der Welt angekommen zu sein, so mussten wir unseren Eindruck in Pa Lungan revidieren. Ein paar Holzhaeuser, Wasserbueffel, Reisfelder und natuerlich eine Kirche, aus der Gesang und rockige Musik zu hoeren waren. Und ein kleines Guesthouse, in dem wir mehr als warmherzig empfangen wurden. Nachdem wir abends lokalen Reis, Dschungelschwein und allerlei lokale Gemuese aus dem „Dschungelsupermarkt“ verputzt hatten, kamen einige Dorfbewohner vorbei. Angeblich um fuer uns ein paar traditionelle Taenze aufzufuehren. Was uns anfaenglich keiner gesagt hatte war, dass auch wir aufgefordert waren den „Warrior“ und den „Hornbill Dance“ zu performen. Am Ende des Abends fragten wir uns, wer nun fuer wen wohl exotischer gewesen war.

Schlammverschmiert kehrten wir von unserem Ausflug nach Bario zurueck, wo die restliche Zeit viel zu schnell verging. Wir haetten gerne noch mehr in diesem kleinen Paradies erlebt, aber so muessen wir wohl irgedwann noch einmal wieder kommen.

Von Kuching aus reisten wir weiter gen Osten. Eine ohrenbetaeubende fuenfstuendige Bootstour brachte uns nach Sibu. Die Stadt Sibu bezieht ihre Bedeutung haupstaechlich aus ihrer Lage am Rajang-Fluss. Als der letzte Ort, der sowohl ueber eine Strasse als auch ueber den Seeweg erreicht werden kann, ist Sibu Waren-Drehscheibe fuer alle Siedlungen, die weiter flussaufwaerts gelegen sind. Entsprechend war auch die Faehre, die uns nach Sibu brachte, bis an ihre Kapazitaetsgrenzen vollgepackt.

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Sibu war aber nur ein kleiner Zwischenstopp auf unserer Reiseroute. Von dort aus ging es mit dem Bus weiter ueber Bintulu zum Niah National Park. Dieser beeindruckt vor allem durch seine riesigen Hoehlen und ist Fundort der aeltesten Belege fuer freuhzeitliche Besiedlung in Sued-Ostasien.

Der Weg zu den Hoehlen fuehrte uns durch dichten Dschungel. Je naeher wir an die Hoeheln kamen, umso hoeher und steiler wurden die uns umgebenden Felswaende. Trotz des scheinbar kargen Untergrunds wuchsen auf den Kalksteinbrocken gewaltige Urwaldriesen, deren Wurzeln sich regelrecht ueber den steinernen Untergrund zu ergiessen schienen.

Das war aber erst ein Vorgeschmackauf das, was uns im Inneren des Bergs erwartete. Auf roter Erde ging es vorbei an Gesteinsformationen, die in den verschiedensten Gruentoenen zu leuchten schienen, in eine Hoehle, die uns das Gefuehl vermittelte Zwerge zu sein. Ein beissender Geruch stieg uns in die Nase und verstaerkte das Gefuehl ploetzlich auf einem anderen Planeten zu sein. Hoch ueber uns woelbte sich die Gesteinsdecke. Durch ein Loch fiel ein wenig Licht in die dunkle Hoehle, das aber den Boden nicht erreichen konnte. Im einfallenden Licht konnten wir Mauersegler und Fledermaeuse fliegen sehen. Tiefer in der Hoehle senkte sich die Decke dann tief hinab, und im Schein unserer Taschenlampen konnten wir nur vorsichtig auf den glitschigen Holzplanken vorangehen und erhielten nur ein diffuses Bild der stockdunklen Umgebung.

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Die Kroenung unserer Hoehlenexkursion war aber, dass wir die Hoehle fast fuer uns allein hatten. Keine wilden Horden anderer Touristen (wie wir es spaeter noch erleben sollten), sondern fast ausschliesslich Einheimische, die in den Hoehlen ihrem Broterwerb nachgehen. Die Hoehle dient der benachbarten Siedlung naemlich als eine wichtige Einkommensquelle. Aus ihr werden Guano (Fledermausscheisse) und Vogelnester gewonnen und teuer verkauft. Die Fledermausausscheidungen erzielen als Duenger einen guten Preis, waehrend die Vogelnester (bei uns immer faelschlich als Schwalbennester, korrekt aber Mauerseglernester bezeichnet) auf dem chinesichen Feinschmeckermarkt ein Vermoegen. Das Pfluecken der Vogelnester ist ein hartes und riskantes Business. An einfachen Holzlatten klettern die Maenner bis 40m hoch unter die Hoehlendecke. Auf den Fotos koennt ihr diese einfachen Konstruktionen sehen.

Auf dem Rueckweg kamen wir noch an dem ersten Longhouse unseres bisherigen Borneo-Besuchs vorbei. Longhaeuser sind die traditionelle Wohnform in Sarawak. In ihnen wohnen je nach groesse x Familien Tuer an Tuer. Verbunden wird dieser private Bereich, durch einen gemeinsam genutzten Korridor. Auf der Rueckseite des Hauses hat jede Familie ihrer eigenen private Feuerstelle. Sozusagen ein gesamte Reihenhaussiedlung unter einem Dach mit gemeinsam genutzten Wohnraeumen. Interessant sich vorzustellen, wenn ein solchen Haus von Deutschen bewohnt werden wuerde.

Borneo – das klingt nach Dschungel, schwuel-heissen Naechten, fast ausgestorbenen wilden Tieren und traditionellen Lebensweisen. Nach einer ziemlich langen Zeit vorrangig in Staedten klang „Borneo“ fuer uns verheissungsvoll nach Natur und Abenteuer – auch wenn wir wie wohl die meisten Europaer vor unserer Reise die Insel nur schwerlich haetten auf einer Landkarte lokalisieren koennen. Borneo ist irgendwie mehr Mythos, denn real existierende Landmasse und moderner Grossproduzent von Erdoel, Tropenholz und Palmoel.

Insofern waren wir fast ueberrascht als wir in Kuching, der Hauptstadt der Region Sarawak landeten. Die Besitzer unseres Hostels holten uns mit einer nagelneuen Hondalimusine ab. Wir fuhren ueber einen hell erleuchteten Highway in die Stadt, die auf den ersten Blick mit all den modernen asiatischen Staedten zu verwechseln gewesen waere, die wir in den letzten Wochen so gesehen haben.

Einen ersten Eindruck vom alltaeglichen Leben auf Borneo bekamen wir am naechsten Morgen beim Besuch des Wochenendmarktes. Hier wurde so ziemlich alles feil geboten, was das Meer hergibt und irgendwie essbar ist. Ueberall hoerte man das dumpfe Aufschlagen von Fleischermessen auf Holzbloecken und sah Huehnerkoepfe und Fischteile fliegen. Auf nuechternen Magen ein zum Teil herausfordernder Anblick, insbesondere wenn man dabei in einer Pfuetze mit Fischabfaellen steht.

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Zurueck in der Stadt konnten wir den Ueberbleibseln der oertlichen Kolonialgeschichte kaum entgehen. Sarawak und spaeter auf die zweite malaysische Region „Sabah“ auf Borneo, waren bis 1942 unter der Herrschaft der britischen Familie Brooke – eine Privatkolonie wenn man so will. Diese entstand als der Sultan von Brunei, ehemals Herrscher ueber die gesamte Region, sein eigenes Land nach Aufstaenden nicht mehr in den Griff bekam und den britischen Kavalleristen James Brooke um seine Unterstuetzung bat. Der Deal war, jedes Stueck Land, dass von Brooke befriedet werden wuerde, sollte seiner persoenlichen Verwaltung unterstellt werden. Und so geschah es, dass ein Englaender zum „weissen Raja (Fuerst)“ wurde und von Brunei nur noch ein Fleckchen auf der Landkarte uebrig blieb.

Auch wenn diese Zeiten laengst vergangen sind, laesst sich noch heute in Kuching zwischen Foodstalls, chinesischer Nippeshaendlern und plastikbunter Weihnachtsdekoration an manchen Stellen der Geist der ehemaligen Kolonialherrschaft erspueren. Wenn der braune Fluss, traege am weissen Sitz der Rajas vorbeizieht und sich hinter britisch-akkuraten Parklandschaften die Silhouette einer riesigen Moschee abzeichnet.

Unsere erste Erfahrung mit der lokalen Flora und Fauna machten wir in einer Orang Utan Auswilderungsstation. Dort werden zweimal taeglich die freilebenden Meschenaffen gefuettert. Wer will der kommt, wer schon genug selbst erbeutet hat, der bleibt weg. Wir hatten einen „mittel-guten“ Tag erwischt und konnten vier der rothaarigen Tiere bei der Fuetterung beobachten. Ein beruehrendes Schauspiel, das zum Teil an menschliches Kaufverhalten im Supermarkt erinnerte. Genau inspizieren und beschnuppern und dann schnell so viel einstecken, wie man gerade so (mit Zaehnen, Haenden und Fuessen) transportieren kann.

Richtigen Konakt mit der Flora und Fauna Borneos hatten wir dann waehrend unserers dreitaegigen Aufenthalts im Bako National Park. Dieser ist insbesondere fuer seine verschiedenen Oekosysteme, die hier auf kleinstem Raum nebeneinander zu finden sind, und seine Nassenaffen (proboscis monkeys) bekannt. Letztere sehen aus wie ein Witz der Evolution: Kugelrunde Baeuche, riesige fleischige Nasen und ein langer Schwanz. Die Einheimischen nennen diese Affen scherzeshalber Hollaender-Affen. An welchem ihrer optischen Merkmale das nun genau liegt, entzieht sich leider unserer Kenntniss. Nach unseren Nachforschungen besitzen die Nasenaffen aber keine Wohnanhaenger.

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Abgesehen von Unterkuenften und Infrastruktur, die durchaus als einfach zu bezeichnen sind, war unser Aufenthalt im Bako eine Kette spektakulaerer Naturerlebnisse. Bei tropischen Bedingungen waren unsere Dschungelausfluege wirklich schweisstreibende koerperliche Herausforderungen. Dafuer wurden wir aber mit beeindruckender Natur und jeder Menge Getier – von laufenden Fischen, ueber Wildscheine bis hin zu Schlangen belohnt. Borneo aus dem Bilderbuch.